Glücklicherweise ist nicht nur das künstlerische Werk Klusemanns weitgehend zusammenhängend überliefert, sondern auch ein Großteil seiner privaten Korrespondenz. In die Hunderte dürfte die Zahl der erhaltenen Briefe gehen. Ein Teil von ihnen ist – liebevoll kuratiert und gestaltet – 2015 ediert worden.
Klusemanns Briefe, viele davon an seine Frau Elena adressiert, bestechen durch ihre direkte und unprätentiöse Sprache. Sie sind Ausdruck seiner ungebändigten Leidenschaft – für Elena, für seine Arbeit, für das Leben an sich. Seine Briefe stecken voller phantastischer, bisweilen surrealistischer Bilder; rasant jongliert Klusemann mit seinen eigenen Worten. Sein Hang zur beißenden Ironie scheint dabei stets nur wenige Buchstaben entfernt zu sein.
wir werden einfach spinnen
das ganze rhônedelta ist zum katastrophengebiet erklärt worden, weil wegen starker schneefälle ganze ortschaften nix mehr zu fressen haben, das ist nun der gepriesene schöne charakter des winters, leck mich doch am arsch, ich kann drauf verzichten und nun will ich dir mal einen plan vorlegen, wie wir beiden jungen liebesleute uns diesen winter verkürzen werden, denn
der februar wird noch immer ein wintermonat sein.....:
also, wir werden zuerst ein paar tage uns hiereinander eine ganze zeit unverwandt anschauen um herauszufinden ob du noch immer du bist und ich ich. dann werden wir unseren vw-esel satteln und nach elba fahren und uns dort umsehen und dann werden wir uns wenn wir uns genug
umgesehen haben weiter nach süden fahren, denn kennst du schon neapel?
ich ja! aber kennst du schon sizilien? ich auch nicht! kennst du schon malta? ich ebenfalls
nicht! kennst du schon tunesien? siehste ich auch nicht und da wärs eine sünde und schande, wenn wir uns nicht auch mal auf einer vorehelichen hochzeitsreise diese feinen sächelchen nicht
ansehen würden und eine kleine bemerkung ganz nebenbei, es wird da wärmer sein als im augenblick hier in meiner hütte..... und nun noch ein ganz neuer aspekt: die kohlen die wir dann hier oben
sparen, die können wir dann diesen unterentwickelten gebieten zuwenden. mir wird warm ums herze..... schatziken, wir werden uns das leben so schön machen wie das kaum einer vor uns sich schön
gemacht hat, wir werden einfach spinnen und dann wäre es doch gelacht, wenn es uns nicht gelingen sollte!!!!!!!!
[...] ach schau mal, wenn ich schon mal liebe, liebe ich auch ganz weich und dich lieb ich ganz weich mit all meinen
gefühlen, du kannst dich richtig bei mir zu hause fühlen, denn es kann noch nie jemand gewesen sein, der dir ein häuschen und eine bude und einen rancho aus seinen eigenen gefühlen zusammengezimmert hat und ich tue das, ich mach dir ein richtiges häuschen
nur aus einzelteilen meiner kribbeligen duftigen liebe zu dir.
so, nun aufgepasst, ich reisse die sektflasche auf, gib dein mäulchen her, ich kippe dir die brühe direkt hinein und
du gibst mir einen kuss zum neuen jahr und ich gebe dir einen kuss......biiiii, du stinkst ja nach alkohol...... komm noch mal einen kuss und noch einen, denn es
soll ein glückliches neues jahr werden.......
Aus einem Brief an Elena Sonntag vom 29.12.1970
"lassen sie nur durch den nicht vorhandenen lautsprecher den namen klusemann ausrufen, denn sie müssen wissen, mein name ist klusemann.
k wie krummdolch, l wie lebensmüde, u wie umgebracht, s wie satansbraten, e wie eiter, m wie mord, a wie abstechen, n wie niederknüppeln und zu guter letzt nochmal ein niedliches nett n-chen wie notzucht!"
Georg Klusemann, um 1970
Torsten Krug (Hrsg.)
Das Handwerk des Träumens
Georg Klusemann. Portrait des Künstlers in
Selbstzeugnissen, Mit einem Nachwort von Hermann Schulz